Wäre Ratko Delorko nur ein begnadeter und international anerkannter Klavierspieler, der einen Abend mit einem Jahrhunderte umspannenden Programm – natürlich ohne Notenblätter – auszufüllen wagt, wäre das schon eine Leistung an sich. Wäre er nur ein spannender Entertainer und augenzwinkender Geschichtenerzähler, wäre das auch prima.
Nie hätten wir sonst erfahren, wie sich Namen und Karriere locker mit der Herkunft der Eltern aus “verarmtem italienischen Kleinadel“ erklären lassen, die nach Kroatien flüchteten (daher der Vorname) und dann später in Hamburg ansässig wurden.
Aber hier haben wir es mit einer glücklichen Kombination der beiden Fähigkeiten zu tun, die das neugierige Publikum bei der Klassik-Premiere in Bann hielt. So wurde es locker auf die Geschichte der ausgesuchten Stücke, spannend, ohne dozierenden Experten-Ballast vorbereitet.
Der wunderbare Flügel atmete mit und folgte ihm. Hätte man bei den Bach-Präludien und den Rokoko-Stücken schon ein Cembalo heraushören können, so nahm es genauso überzeugend die stampfenden Rhythmen eines energischen New York der wilden Zwanziger auf, um dann vom Barpiano her im plötzlichen Übergang zu Summertime ein sonnenflirrendes Südstaatenfeeling zu erwecken, eine stille, ganz andere Welt.
Mit seiner eigenen Komposition „Zeitklang“ bot er den Zuhörern auch noch ein optisches Vergnügen: Das feierliche Überstreifen dünner, schwarzer Handschuhe, unterstützt durch selbstironische Bemerkungen, um bei einem klirrenden, eisscharfen Glissando über die offenliegenden Saiten des Flügels ja keine möglicherweise korrosionsfördernden Schweißspuren zu hinterlassen, war schon ein Akt für sich.
Die Assoziation zu Virtuosen der Autowelt tat sich auf, wenn sie hochkonzentriert Operationen an der Vergaserbatterie eines italienischen Zwölfzylinders beginnen. Das Publikum goutierte es mit einem Schmunzeln, und vermisste weder den Bademantel von Udo Jürgens noch den Hermelin-Umhang eines Liberace und auch nicht dessen dramatisch orgelnde Nachhall-Pedalkünste.
Derartigen Glamour brauchte es nicht, die fast vollständige Beschränkung auf die Musik ließ das Fazit zu: Perfektion ist dann, wenn man sie nicht merkt.
Langanhaltender Beifall, Standing Ovations und mehrere Zugaben – Das Publikum war begeistert, der erste Klassik-Abend ein umfassender Erfolg. Der Gastgeber Helmut Stein atmete hörbar durch, weil zusätzlich zum Premierenfieber am Tag zuvor die ausgefallene Heizung noch für erhöhten Puls gesorgt hatte.
Dieser geglückte Beginn der Klassik-Sparte macht Vorfreude auf das Konzert mit Alisa Lisova am 3. Dezember.
Text und Bilder © mikkosch