So war’s: Radiotag Erkrath bei QQTec – Thema Piratensender, ist sowas noch aktuell?

 

Hauptsächlich waren es natürlich die Radiofreunde aus Hilden und Erkrath, die sich zum Radiotag Erkrath im QQTec-Museum trafen, dabei hätte die Veranstaltung durchaus  das Prädikat International verdient gehabt. Den  zu den Veranstaltern und Gästen hatten sich unauffällig auch Experten gesellt, die aus den Zeiten der Piratensender in den 60er-Jahren deftige Stories erzählen konnten. Selbstironie? Selbstverständlich.

  Wie oft jetzt außer den Enthusiasten die Frequenzen, Schiffe und Liegeplätze gewechselt haben, das kann man in dicken Bücher nachlesen. Was rüberkam, war die Begeisterung, mit der einige der Gäste in diesem wellenbewegten Ambiente ihre Jugend verbracht hatten, in der sie England und Benelux mit frischer Musik und – das war das Revolutionäre – mit Radiowerbung fluteten. Das führte zu einigen Auseinandersetzungen zwischen den Piratenschiffen, die mit starken Sendeanlagen ausgerüstet waren,  und den Ordnungskräften ihrer Majestät, die es mit der Dreimeilenzone nicht so genau nahmen. Außerhalb der hatten sie ja eigentlich kein Recht zu intervenieren.

  

Davon berichteten u.a. Mandy Marton, als DJane voll im Programm, mit  Fotos und Filmen von Bord aus dieser Zeit. Das Kratzbürstige klang heute, nach über 50 Jahren, in ihren Kommentaren immer noch durch.

 

Als die Zeiten im Ärmelkanal durch die geänderten Gesetze ruhiger wurden und Radio Veronika aus englischen Häfen, später sogar dort  von Land aus senden konnte, fand man die übriggebliebenen Piratenschiffe an anderen Ecken des Kontinents mit zunehmend politischen Aufgaben – Radio Free Europe und Radio Liberty sendeten z.B. aus griechischen Gewässern, um den Eisernen Vorhang mit flotter Musik und westlichen Nachrichten zu überwinden. Durch das Tauwetter  in den Achtzigern, Gorbatschow sei Dank, wurden diese Schiffe zwar auch entbehrlich, aber die Ausrüstung war ausgetüftelt und für andere Zwecke gut zu gebrauchen. Was wurde also daraus?

Herbert Visser, einer der intimsten Kenner der Szene erzählte die genauso spannende Geschichte der Nachfolger. Die mittlerweile gezähmten kommerziellen Sender hatten schnellstens zu UKW-Frequenzen gegriffen, denn die Übertragungsqualität war deutlich besser und bot Stereo. Die alten Mittelwellensender stellten Zug um Zug ihren Betrieb ein.  Radio Veronika ergriff die Chance, von holländischem Boden aus noch einmal mit altem Schwung die 60er wieder aufleben zu lassen, bis die Werbetreibenden sich die Zielgruppe näher beschauten: Es waren die alten Hörer aus den 60ern, mittlerweile schon fast im Rentenalter und daher als werbeaffine Konsumentengruppe nicht mehr zu erreichen. Das war das Ende, zumal die Sendemasten auch schon morsch waren. Im Zuge der neuen Konflikte an der Ostflanke wurden aber die improvisationsgeübten Techniker und die kräftigen Generatoren an anderer Stelle wieder gebraucht. Damit konnte man jetzt vom Baltikum aus bis tief in die immer verschlosseneren  östlichen Staaten senden – Radiowellen sind nicht so einfach zu kappen wie Internetverbindungen. Also werden freie Programme, z.b. wenn sie in Russland selbst verboten wurden, gut gerichtet jetzt über Mittelwelle ausgestrahlt, und erreichen bei günstigen Wetterbedingungen weite Bereiche des Kontinents.

Die freimütige Diskussion über diese Themen, in kleinster Runde ausgetragen, war mindestens genauso spannend wie die nostalgischen  Erinnerungen an die Piratensender von anno dunnemals. Es gibt sie also noch heute, wenn auch in andere Form, ihre Flexibilität ist ihr großer Vorteil.

Ein Dank an die Spezialisten, die das politisch unerwartet brisante Thema aktualisieren konnten.

 

 

Text + Fotos  © mikkosch

 

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